Ende Oktober machten sich drei Triathletinnen und ein Triathlet auf den Weg in das Schweizer Kanton Graubünden um an einem erlebnisreichen Wochenende bei den beiden anspruchsvollen und abwechslungsreichen Trailläufen "Transruinaulta" und "Transviamala" zu starten. Ein Erlebnisbericht von Steffen Pleßmann.
Bei unseren lockeren, langen Dauerläufen an den Wochenenden im Sommer hatte Sylvia mehrmals von einem Trans-„irgendwas“ Lauf im Herbst in der Schweiz gesprochen. So richtig verstanden hatte ich es erst beim dritten Mal: an einem Wochenende gleich an zwei schwierigen Trailläufen teilnehmen und einer davon ist ein Marathon - „uff“ dachte ich noch, klingt ganz schön anstrengend. Und eh man sich versieht, waren wir gut fünf Monate später im beschaulichen Schweizer Örtchen Thusis im Kanton Graubünden angekommen und standen auf einmal mit Sylvia gemeinsam am Start in Ilanz.
Der Traillauf ist eine spezielle Form des Langstreckenlaufs, abseits asphaltierter Straßen, und kann am besten mit „über Stock und Stein“ umschrieben werden. Der Transruinaulta Trailmarathon, der 2016 erst zum dritten Mal ausgetragen wurde, ist ein recht schwieriger Traillauf, denn es sind neben der 42,2 km langen Strecke entlang der Ruinaultaschlucht des Vorderrheins zugleich rund 1800 Höhenmeter zu überwinden. Vor dem Start machten wir uns noch mit den einheimischen Spezialitäten der Läuferverpflegung vertraut, denn Biberli (Lebkuchen mit Mandelfüllung), Birabrot (mit Trockenfrüchten zubereitetes Brot, hauptsächlich Birnen) und Mostbröckli (eine Art Bündnerfleisch, also getrocknetes Rindfleisch) waren uns zuvor nicht bekannt, sind aber allesamt sehr schmackhaft.
Zum Gedanken des stark naturverbundenen Traillaufs gehört auch eine teilweise autonome Versorgung. So werden bspw. keine Plastiktrinkbecher ausgegeben, die dann nach einmaliger Benutzung am Verpflegungsstand oder - noch schlimmer - achtlos am Wegesrand weggeworfen werden (dies würde bei einem solchen Lauf zu einer Disqualifikation führen). Stattdessen hat man über der ganzen Strecke einen Faltbecher dabei, auf den man halt aufpassen muss und den man nicht verlieren sollte. Um sich im Notfall selbstständig versorgen zu können, gehörten neben wärmender Ersatzkleidung u. a. eine Überlebensdecke und elastische Binde für einen Notverband, sowie Signalpfeife, Streckenplan, Mobiltelefon und mindestens ein halber Liter Trinkwasser in den Laufrucksack. Also alles Sachen an Ausrüstung, die man bei einem normalen Volkslauf nicht mit dabei hat.
Teil 1 - Der Transruinaulta Trailmarathon
An den Start des Transruinaulta Trailmarathons in Ilanz gingen 589 Läuferinnen und Läufer. Nach den ersten rund elf Kilometern mitten in der Rheinschlucht folgten heftige Anstiege hoch zum kleinen Dorf Versam auf 900 m ü. M. und damit zum ersten größeren Verpflegungsposten bei Kilometer 14. Auf diesem Streckenabschnitt waren auf zwei Kilometer Länge etwa 400 Höhenmeter zu überwinden, was richtig steil ist und nur noch gehend von uns bewältigt werden konnte. Von Versam aus ging es über die Versamer Tobelbrücke, wo uns Albhornbläser begrüßten, über den Rabiusa, einem Nebenfluss des Rheins, weiter in die Gemeinde Rhäzüns im Tal auf etwa 650 m ü. M. Hier war ein Getränkepunkt aufgebaut und es waren bereits 24 km absolviert. Der Strecke bog dann Richtung Heinzenberg ab und folgte dem Hinterrhein bis auf die Höhe von 1200 m ü. M. ins Bergdorf Präz.
Der Ausblick in Richtung des Zielorts Thusis und über das ganze Domleschg-Tal entschädigte für den zurückliegenden harten Anstieg. Zugleich konnte nach Präz am zweiten Verpflegungspunkt bei gut 29 km „gelabt“ und neue Kraft getankt werden. Vom Dach des Trailmarathons aus ging es auf Singletrails den Heinzenberg entlang langsam abwärts, bevor kurz vor dem Ziel noch einige kurze und gemeine, weil steile, Anstiege bevorstanden. Die „Glöckner“ am Wegesrand mit ihren übergroßen Kuhglocken gaben uns den Takt bergauf vor.
Überglücklich trafen wir schlussendlich im Ziel in Thusis ein und wurden von den verhältnismäßig zahlreichen Zuschauern freundlich begrüßt und gefeiert - ein unvergesslicher Augenblick. Sylvia und Franziska durften gleich ein Interview im Ziel geben, da wir Stuttgarter mit unseren einheitlichen Laufjacken dem Moderator aufgefallen waren.
Teil 2 - Der Transviamala Run
Und wo wir schon mal da waren - gleich am Tag darauf folgte der nächste Start in Thusis für den 15. Transviamala Run. Über 19 km und etwa 900 Höhenmeter galt es auf dem Weg zum Zielort Donat zu überwinden. Das Teilnehmerlimit von 1000 Läuferinnen und Läufer war bereits im Vorfeld erreicht worden.
Anstatt eines Startschusses wurde "ins Horn geblasen", was allerdings nicht gleich klappte und bereits beim Start für viele Lacher sorgte. Aus Thusis raus bog man in einen breiten Feldweg ab, der kontinuierlich bergauf führte. Spätestens nach den ersten zwei Kilometern war man also schon warmgelaufen. Nach diesem ersten Anstieg liefen wir der Viamala-Schlucht entgegen. Die etwa acht Kilometer lange, tief eingegrabene Schlucht entlang des Hinterrheins war der mit Abstand schwierigste Streckenabschnitt. Stufenreiche Aufstiege, Single-Trails entlang von Felsen, atemberaubende Ausblicke in die Schlucht und die Querung von Hängebrücken waren ein tolles Lauferlebnis. Am Ende kamen wir auf den Schweizer Kulturwanderweg Via Spluga, der uns runter zum Rhein und über die Brücke „Punt Suransuns“ führte.
Von hier ging es wie bei einem Crosslauf stets bergauf und -ab und der Weg brachte uns nach einem steilen Anstieg in die kleine Gemeinde Reischen. Nach dem letzten Anstieg in einem dunklen Waldstück öffnete sich plötzlich das weite und offene Schamsertal und wir hatten die Viamala-Schlucht durchquert. Die steilsten Stücke waren geschafft und es stand nun der Genuss der tollen Landschaft im Vordergrund. Über die kleinen Gemeinden Pignia, Andeer und Clugin ging es zum Schlussanstieg rauf nach Plans und schließlich dem kleinen Zielort Donat entgegen. Im Ziel erhielten wir ein sogenanntes Säumer-Säckli, gefüllt mit einheimischen Spezialitäten. Das war für uns eine tolle Überraschung und nicht so langweilig wie ein x-tes Finishershirt. Zum Abschluss aßen wir reichlich Pasta und machten uns auf den Weg zurück nach Stuttgart. Schließlich mussten wir am Montag wieder pünktlich bei der Arbeit sein.
Die anspruchsvolle Kombination: Transruinaulta und Transviamala
Lediglich 175 Doppelstarterinnen und -starter absolvierten an einem Wochenende den Transruinaulta Trailmarathon und den Transviamala Run mit zusammen über 60 km und rund 2700 Höhenmetern. Darunter waren auch Franziska Hildebrandt, Sylvia Birkle und Steffen Pleßmann vom MTV Stuttgart. Während zwei Topläufer in der Kombinationswertung insgesamt je unter fünf Stunden das Ziel erreichten, bzw. die Topläuferin unter sechs Stunden blieb, landeten wir eher im hinteren Mittelfeld. Das war uns aber egal, denn gegen die Bergspezialisten aus halb Europa haben wir realistisch gesehen nicht den Hauch einer Chance mitzuhalten. Zu speziell ist die Anforderung eines Traillaufs in Kombination mit den Bergen.
Lange in Erinnerung werden wir aber das tolle gemeinsame Wochenende mit viel Spaß und einmaligen Naturerlebnissen behalten. Und Muskelkater hatten wir kaum, eher etwas "schwerere" Beine als nach den normalen Trainingswochenenden.
Unsere Ergebnisse im Überblick:
Transruinaulta Trailmarathon (42,2 km und etwa 1800 Höhenmeter)
5:39:09 - Steffen Pleßmann
6:03:47 - Franziska Hildenbrandt
6:03.48 - Sylvia Birkle
Transviamala Run (19 km und etwa 900 Höhenmeter)
2:17:44 - Steffen Pleßmann
2:21:44 - Franziska Hildenbrandt
2:21:44 - Sylvia Birkle
2:26:44 - Sabine Grathwohl