Zum 28. Mal trafen sich am 27. Juli knapp 4500 Läuferinnen und Läufer aus mehr als 60 Nationen in Davos, dem bekannten Luftkurort und Wintersportgebiet in der Schweiz, um sich einer großen sportlichen Herausforderung zu stellen. Beim Swiss Alpine Marathon können sie zu profilierten Läufen über verschiedene Distanzen antreten. Neben den kurzen Strecken über 10km bis zum Marathon ist der in der Läuferszene bekannte und legendäre K78 das Highlight. Der K78 ist ein Ultramarathon über knapp 78km große Runde mit Start und Ziel in Davos und anspruchsvollen 2650 Höhenmetern im Auf- und Abstieg. Besonders die beiden markanten Streckenabschnitte in hochalpiner Lage die Keschhütte (2632m ü. M.) sowie der Sertigpass (2739m ü. M.) sind wichtige Punkte auf dem Weg ins Ziel.
Samstagmorgen um 6:45 Uhr am Start in Davos – die Sonne geht über den Berggipfeln auf und der Himmel ist strahlend blau. Was gibt es schöneres als ein tolles Wetter bei einem Berglauf? Dieser Samstag war der bis dahin wärmste Tag des Jahres in der Schweiz. In Davos (1560m ü. M.) erreichte das Thermometer im Schatten die 30°C Marke und selbst in der Höhe bedeuten die 20°C am Sertigpass (2739m ü. M.) nur eine kleine Abkühlung für die Läuferinnen und Läufer. Entsprechend waren der Sonnenschutz (Basecap und Sonnencreme) und ausreichendes Trinken wichtige Aspekte an diesem Tag. Der Veranstalter reagierte mit vier zusätzlichen Getränkestellen (insgesamt 26) und installierte an acht Stellen Sprinkleranlagen, welche für eine willkommene Abkühlung sorgten.
Pünktlich um 7 Uhr fiel der Startschuss und gemeinsam mit den Läuferinnen und Läufern der C42 Strecke (Ziel in Bergün Dorf) begann das Abenteuer K78. Die ersten knapp 40km und rund 1000 Höhenmetern Auf- und Abstieg bis Bergün dienten lediglich dem „Einrollen“ entlang markanter Punkte wie dem Wiesener Viadukt. Trotzdem machte sich die beschriebene Wärme schon sehr bemerkbar, vor allem im Tal entlang der Albula (größter Nebenfluss des Hinterrheins) stand die Luft und viele konnten nur noch gehen. Mir selbst ging es soweit ganz gut, ich konnte weiterlaufen und nach rund 4h:18min erreichte ich den Kilometer 40 in Bergün. Aufgrund der Hitze wechselten hier etliche K78-Starter kurzfristig auf die C42 Strecke und beendeten den Lauf quasi auf halber Strecke bereits in Bergün.
Von Bergün (1365m ü. M.) an geht es schließlich stetig bergauf bis hin zur markanten Kilometermarke 54 - der Keschhütte auf 2632m Höhe – welche ich nach insgesamt 7h:01min erreichte. Meine Zeit von 2h:42min für die 14km lange Teilstrecke zwischen Bergün und der Keschhütte verdeutlichen sicherlich den Schwierigkeitsgrad. An der Keschhütte wird man von einem Arzt persönlich mit Handschlag begrüßt und er prüft mit kurzen Fragen und Blick ins Gesicht ob man noch bei klarem Verstand ist. Warum dieser Aufwand? Ab hier beginnt der nicht ganz ungefährliche Trail im hochalpinen Bereich über Geröll, durch Bachläufe von Schmelzwasser und den Schneefeldern selbst. Hier ist Konzentration und Trittsicherheit gefordert und das nach für mich 7 Stunden auf den Beinen. Eine Rettung bei einem Sturz wäre auf dieser Teilstrecke nur noch per Helikopter möglich. Zugleich machte sich bei mir hier die Höhe in Form von einem erhöhten Puls und schnellerer Atemfrequenz bemerkbar. Das Laufen bzw. ambitionierte Bergwandern zwischen der Keschhütte und Sertigpass (2739m ü. M.) war eine Herausforderung für sich, dessen Schwierigkeit ich zuvor unterschätzt habe.
Zugleich lernt man besonders auf diesem Teil der Strecke Demut gegenüber der Natur und kommt sich sehr klein vor und kann die eigene Leistung einschätzen. Blickt man über die Schulter zurück sieht man das grüne Tal entlang der Albula noch vor Bergün. Zugleich bewegt man sich im grauen Fels und Geröll und sieht zahlreiche hohe Berge bis knapp 4000m Höhe um einen rings herum. Das ist ein Moment in meinem Sportlerleben, welchen ich sicherlich nicht so schnell vergessen werde.
Irgendwann auf Wegen über Stock und Stein erreicht man schließlich den Sertigpass und es geht (fast) nur noch bergab – und wie. Auf dem 3km langen Teilstück geht es gleich mal fast 550 Höhenmeter bergab auf serpentinenartigen Bergpfaden im Zick-Zack-Kurs. Bloß nicht stolpern denke ich und mache bewusst langsam, bedacht auf meine Sicherheit. Zugleich stürzen sich andere Läufer den Berg runter als ob das Ziel schon in Sicht ist. Stattdessen sind es noch knapp 20km und je weiter es wieder runter ins Tal geht steigen die Temperaturen wieder stetig an.
Die letzten 15km ziehen sich in die Länge. Es geht über Feldwege an Kühen vorbei und etwa 10km auf einem schmalem Pfad durch den Wald immer wieder bergauf und bergab. Insbesondere den letzten Anstieg 2km vor dem Ziel haben sicherlich viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer verflucht. In Davos wieder angekommen und von vielen Leuten entlang der Strecke angefeuert schließt ein emotionaler Höhepunkt im Ziel im Sportstadion einen langen Tag ab. Nach 10h:37min bleibt die Uhr für mich stehen und ich konnte meine Medaille und das K78 Finisher-Shirt in Empfang nehmen. Meine Zielzeit bedeutet Rang 321 von 877 Finishern insgesamt, gestartet waren etwa 1200. Der Seriensieger aus Schweden, Jonas Buud, schaffte den K78 in unglaublichen 6h:13min und die Schweizer Top-Bergläuferin Jasmin Nunige blieb mit 6h:53min ebendfalls unter der 7 Stunden Marke (zu dem Zeitpunkt war ich an der Keschhütte und hatte noch schlappe 25km vor mir ;-).
Sowohl die Streckenlänge mit den zahlreichen Höhenmetern, das Teilstück im hochalpinen Bereich, als auch die körperliche Ausdauerbelastung von knapp über 10 1/2 Studen waren für mich eine neue sportliche Erfahrung. Die in diesem Jahr bisher zurückgelegten rund 1550 Laufkilometer mit erhöhtem Berganteil im Training bildeten die physische Grundlage für meine Leistung. Zugleich hat mich der Erfolg in meinem Vorhaben bestärkt über die Triathlon Langdistanz, dem sogenannten Ironman, in Roth im nächsten Jahr zu starten. Hier werden insgesamt 8 Triathletinnen und Triathleten für den MTV Stuttgart an den Start gehen.