Der MTV-Turner Matthias Pfleiderer hat mit seinem Partner Fabian Vogel den Synchron-Titel gewonnen – und es damit dem DTB gezeigt.
Stuttgart. Zurzeit hat Matthias Pfleiderer zwei Wohnsitze: einen in Esslingen, einen in Madrid. Auf die Idee, sich auch in der spanischen Hauptstadt eine Bleibe zu gönnen, kam der Trampolinturner wegen seiner Pläne nach der Karriere . Da möchte er Südamerika kennenlernen – und wo könnte er die Sprache besser lernen als in Madrid?
Artikel Stuttgarter Nachrichten 01.07.2022 Autor: Dominik Ignée
Also hat sich Pfleiderer dort einer Trainingsgruppe angeschlossen, wohnt in einer Studenten-WG in der Nähe der Sporthalle und ist vor allem in der Nacht aktiv. „Wir trainieren wegen der Hitze überwiegend nachts, aber auch da ist es noch sehr heiß“, sagt der Turner des MTV Stuttgart, der sich selbst als Weltenbummler bezeichnet. Im Sommer will der 26-Jährige mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Thailand kennenlernen, auch ein Abstecher nach Vietnam ist geplant. „Ich bin gerne mit dem Rucksack unterwegs, denn sich treiben zu lassen, keine Termine zu haben und Erfahrungen zu sammeln“, sagt er, das sei sein Leben.
Doch wird dieses Leben auch bestimmt von eiserner Disziplin – sonst wäre der Mann nicht vor wenigen Wochen mit seinem Synchron-Partner Fabian Vogel Europameister geworden. In Rimini war das, einfach traumhaft und im Prinzip ganz nach Pfleiderers Geschmack. Die Hotelanlage mit Zugang zum Meer konnte er allerdings nur bedingt genießen. In der Sporthalle des Bademekkas stand zu viel auf dem Spiel.
Dieser Titel war wichtig, wie auch schon die Silbermedaille bei der WM 2021 in Baku. Da haben es Pfleiderer und sein Synchron-Kumpel Vogel vor allem den Funktionären des Deutschen Turner-Bundes (DTB) gezeigt . Vor wenigen Jahren hat der frühere DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam die Synchron-Turner nicht mehr auf Großveranstaltungen gelassen, weil er und die Trainer mit den Leistungen im Einzel nicht zufrieden waren. „Das war eine Entscheidung des Verbands, die aus unserer Sicht völliger Quatsch war, aber die sitzen da am längeren Hebel, und wir mussten es dann akzeptieren“, ärgert sich Pfleiderer noch heute. Auch mit dem damaligen Bundestrainer David Pittaway kam er nicht zurecht.
Nun haben sie es allen gezeigt und sollten recht mit ihrer Meinung behalten, dass es sich lohnt, auf sie zu setzen. „Die beiden sind schon seit der Jugend ein eingespieltes Synchron-Team“, sagt Pfleideres Trainer Michael Kuhn, während sein Schützling in der etwas in die Jahre gekommenen Turnhalle der Sportschule Ruit fast bis an die Decke springt. Kürzlich bei den deutschen Einzelmeisterschaften haben die Europameister abermals ihre Klasse unter Beweis gestellt: Vogel als Sieger, Pfleiderer als Zweiter. „Nach meinen guten Vorleistungen wollte ich eigentlich gewinnen, habe mir dann aber zwei kleine Fehler erlaubt“, sagt Pfleiderer – doch sei er Sportsmann genug, um zu sagen, dass der Bessere gewinnen soll.
An diesem Freitag geht es weiter mit dem Weltcup im schweizerischen Arosa – noch so ein Traumort, auf den sich der Sportsoldat Pfleiderer freut. Bei der Hitze kann ein bisschen Abkühlung in den Bergen nicht schaden. Er kennt sie ohnehin bestens, zumal er in Immenstadt im Allgäu als Sohn trampolinbegeisterter Eltern aufwuchs. Er sei auf dem Trampolin sozusagen geboren und ist auch dabeigeblieben, weil ihn das Fliegen so fasziniert. „Die Glücksgefühle, wenn ein neuer Sprung gelingt, sind das Allergrößte.“
In zwei Jahren will Matthias Pfleiderer in Paris erstmals an Olympischen Spielen teilnehmen und sein Dasein als Sportler möglichst mit einer Medaille krönen. Danach soll dann Südamerika erobert werden – vom Rucksacktouristen aus Esslingen .
Quelle: Stuttgarter Nachrichten 01.07.2022 Autor: Dominik Ignée