Volleyball Smart Allianz unterliegt dem Spitzenreiter Vilsbiburg 1:3, doch Jan Lindenmair ist nicht unzufrieden.
Der Jubel dauert nur Sekunden: Ein Nicken, die Hand ballt sich zur Faust, der Daumen geht nach oben und im nächsten Augenblick gibt der Mann schon wieder Anweisungen. Ob seine Mannschaft einen Punkt erzielt oder abgibt, ist Jan Lindenmair nicht immer anzusehen. Der Trainer von Smart Allianz Stuttgart lebt nicht von Emotionen, sondern von der Analyse. Am Samstag hat seine Mannschaft in der Scharrena gegen die Rote Raben Vilsbiburg mit 1:3 (25:16, 15:25, 20:25, 18:25) verloren. Erwartungsgemäß.
Mit der Leistung seines Teams gegen den Tabellenführer war er trotzdem nicht unzufrieden. „Während des Spiels leitet der Trainer das Spiel seiner Mannschaft von außerhalb des Feldes.” So steht es in den offiziellen Volleyballregeln. Jan Lindenmair lebt diese Regel wie kaum ein anderer - am Samstag 92 Minuten lang beim Spiel gegen den Favoriten aus Bayern. Unermüdlich läuft er am Spielfeldrand auf und ab. Das Klemmbrett wandert von der rechten in die linke Hand und wieder zurück. Den Trainersessel hätte sich das Team sparen können, denn der Coach braucht ihn nicht.
Auf dem Feld spielt sein Team derweil so Volleyball, wie er es gerne sieht. Die Stuttgarterinnen, um die starke Kapitänin Sabrina Roß, halten mit dem großen Favoriten mit. Eine 12:11-Führung im ersten Satz - und dann das: Schmetterball der Raben, Franziska Brehmer blockt, und der Ball fliegt im hohen Bogen Richtung Tribüne. Libera Evelyn Delogú sprintet hinterher, erwischt das Spielgerät kurz vor der Werbebande. Die Außenangreiferin Kim Renkema springt und schmettert den Ball zum 13:11 ins gegnerische Feld. Sieben Aufschläge später erheben sich die 1200 Fans von ihren Sitzen. Stuttgart führt mit 19:12; den ersten Satz werden sie gewinnen.
An der Seite ist Lindenmair weiter ruhig und gelassen. „Wir haben einen super ersten Satz gespielt, aber die Niederlage war leider fast normal”, sagt er später. Im zweiten Satz drehen die Gäste die Partie. Lindenmair versucht Einfluss zu nehmen. Er ruft, gestikuliert, ermahnt zur Ruhe. Es nützt nichts. Die Rote Raben Vilsbiburg werden ihrer Favoritenrolle gerecht. Stuttgarts Trainer kratzt sich nachdenklich an der Nase. Vilsbiburg gleicht aus und entscheidet auch die folgenden Sätze für sich. „Wir verlieren den Fokus und machen zu viele Fehler”, nennt Kim Renkema die Gründe für die Niederlage.
Am Ende ist der 33-jährige Trainer der Stuttgarterinnen trotzdem zufrieden. „Wir haben viel richtig gemacht, und man hat gesehen, dass uns die Woche ohne Spiel gutgetan hat”, sagt er. Auch haben sich die Verletzungssorgen wieder ein wenig gemindert. Im vierten Satz wurde nach langer Zwangspause Tatjana Zautys eingewechselt und erzielte gleich drei Punkte gegen ihren Ex-Verein. „Es war schön, endlich wieder auf dem Feld zu stehen”, sagt sie. Für die Mannschaft gibt es jetzt drei Tage frei, aber Jan Lindenmair wird der Volleyball wohl nicht loslassen: Vielleicht findet er aber zu Hause einmal die Ruhe, im Sessel zu sitzen.
Von Mario Geisenhanslüke
Artikel aus der Stuttgarter Nachrichten
Stadtausgabe (Nr. 48)
vom Montag, den 27. Februar 2012, Seite Nr. 28