Auf der Fahrt von der SCHARRena nach Hause, am 81. Stuttgarter Frühlingsfest vorbei, dort, wo sich das Riesenrad dreht und der Geruch von Zuckerwatte die Straße entlang wabert, laufen die 22-Uhr-Nachrichten auf SWR1, die den Sieg von Allianz MTV Stuttgart über den SSC Palmberg Schwerin verkünden, und von einem „dramatischen Spielverlauf“ sprechen. Manchmal reichen Worte eben nicht aus, zu beschreiben, was da gerade los war.
Die Zahlen sind hinlänglich bekannt: Zum fünften Mal steht Allianz MTV Stuttgart im Finale, und doch gibt es keinen Anspruch auf den Titel des Deutschen Meisters. Man muss sich diesen in der Serie (Best-of-five) erarbeiten, mitten in der Gegenwart, und kann sich diesen nicht irgendwie aufgrund der Vergangenheit verdienen. Auch nicht mit dem Argument, viermal Vizemeister in Folge gewesen zu sein. Und dann geht das Stuttgarter Team plötzlich, zum ersten Mal in seiner Final-Karriere, zum zweiten Mal in Führung in der Serie.
Denn der Mannschaft von Trainer Giannis Athanasopoulos gelingt es, ein fast schon verlorenes Spiel zu drehen. Mit 5:10 lagen die Stuttgarter schon hinten, im vierten Satz. Es gab nur noch wenige in der mit 2251 offiziell belegten, pickepacke vollen SCHARRena, die hier noch an eine Wende glaubten. Aufgrund des nur knapp gewonnenen zweiten Satzes sah es eher nach einer 1:3-Niederlage für Stuttgart aus.
Doch dann orderte SCHARRenAnimateur Frank Schuhmacher diese offiziell 2.251 Zuschauer scharrmant zum a) kollektiven Anfeuern und b) zum kollektiven Aufstehen. Und tatsächlich, der Funke sprang über. Und wie.
Das Spiel, längst geprägt von unglaublichen Abwehraktionen, langen Ballwechseln und vom Boden gekratzten Bällen, ein Final-Fight par excellence, begann tatsächlich zu kippen.
Nicht nur, dass die Stuttgarter Spielerinnen auf dem Feld die Partie plötzlich ausgeglichener gestalteten. Nein, sie erarbeiteten sich einen kleinen Vorsprung, der am Ende zum Einzug in den Tiebreak reichte. Und auch hier marschierte das Team voran. 14:9 – ein langer Ballwechsel, den Jana-Franziska Poll in Beachvolleyball-Manier beendete, indem sie den blau-gelben Mikasa in die rechte hintere Ecke pritschte, wo Schwerins Jennifer Geertjes einfach zu spät kommen musste. Und den Matchball erledigte die spätere MVP Paige Tapp mit einem Blockpunkt, nachdem sich vorab Madi Bugg als Zuspielerin mit einem direkt gespielten Angriff versuchte. Anschließend: Jubel pur. Und auch hier folgte das Team den taktischen Anweisungen von Trainer Giannis Athanasopoulos. Und begann plötzlich kollektiv Sirtaki zu tanzen.
Was nun folgt, ist Spiel vier, am Donnerstag, 9. Mai, um 18.30 Uhr, in der längst ausverkauften Palmberg Arena zu Schwerin. Das Stuttgarter Team ist noch ein Sieg vom ersten Titel in der Vereinsgeschichte entfernt. Das Schweriner Team kann zuhause ausgleichen und Spiel fünf erzwingen, welches dann am Samstag, 11. Mai, um 18.30 Uhr wiederum in SCHARRena stattfindet. Eine durchaus „dramatische“ Ausgangslage.
Text und Fotos: Tom Bloch