Eines gleich vorneweg, an alle
konkurrierenden Vereinsvertreter, die nun
einen Anruf erwägen: Sie können sich den
Aufwand sparen. Nicht, dass Raphael Hahn
sie unwirsch abwimmeln würde.Dafür ist der
34-Jährige ein viel zu höflicher Mensch. Die
Antwort steht gleichwohl bereits fest. Es
wird in allen Fällen stets die gleiche sein:
danke, nein.
Wie viele Abwerbeversuche es im Lauf der
Jahre gewesen sind? „Oh je“, sagt Hahn und
lacht, „das kann ich nicht mehr sagen.“ Einigen
wir uns auf die Antwort: viele. Wie das
halt so ist, wenn einer im Fußball reichlich
Tore schießt. Damit werden Begehrlichkeiten
geweckt. Und „reichlich“ ist bei Hahn ja
eigentlich noch eine Untertreibung. Der gebürtige
Stuttgarter ist nicht nur irgendein
Torjäger –er ist in der Stuttgarter Bezirksliga
seit gut einem Jahrzehnt der Torjäger
schlechthin. Hahn, das ist der Mann mit der
eingebauten Torgarantie. Quasi der Lewandowski
der Bezirksliga. Was auch dadurch
zum Ausdruck kommt, dass der Ballermann
vom Dienst in der vergangenen Saison zum
bereits vierten Mal die Torschützenkanone
unserer Zeitung gewonnen hat. Staffelrekord!
Die erneute Trophäenübergabe fand
vor Kurzem statt.
Das mit Erstaunlichste dabei ist: Treu geblieben
ist Hahn in der gesamten Zeit eben
ein und demselben Verein. Seit er als 17-Jähriger
zum MTV Stuttgart gewechselt ist, hat
er am Kräherwald seine Wurzeln geschlagen.
Nach Jugendstationen bei den Sportfreunden
Stuttgart, beim ASV Botnang und dem
FV Löchgau folgte Hahn damals dem Lockruf
seines Schulkumpels Luca Luchetta (inzwischen
MTV-Spielleiter). Und er hat es bis
heute nicht bereut. „Der MTV ist für mich
meine Fußballfamilie“,sagt Hahn,„dort fühle
ich mich zuhause.“ Dieser Club biete ihm
sein persönliches „Rundumwohlfühlpaket“.
Und diese Komponenten wogen für den Angreifer
denn immer mehr als alle externen
Verlockungen.
Ja, Hahn hat sich durchaus darüber gefreut,
wenn sich im Vorfeld einer neuen Saison
die Interessenten wieder einmal die Türklinke
in die Hand gaben. Schließlich sei dies
auch ein Zeichen der Wertschätzung. Zumindest
bis in die Verbandsliga hinauf hätte
es für ihn demnach gehen können. Hätte,
Konjunktiv. „Hundertprozentig überzeugt,
es zu machen, hat es mich dann nie“, sagt
Hahn. Auch, weil er einer ist, der halt gerne
sein gewohntes Umfeld hat. Allemal schwer
gefallen wäre es ihm, dem Spaßfußballer,
das Ambiente mit den lieb gewonnenen Kollegen
aufzugeben. Mit dem ein oder anderen
kickt er schon sein halbes Leben zusammen.
Für Gegner ist es zur Gewohnheit geworden,
dass der Blick in den Spielen gegen den
MTV als Erstes bang auf die Aufstellung
geht: Ist der Hahn dabei? Falls ja, ist klar,
dass es für die eigene Defensive ein anstrengender
Nachmittag wird. Hahn selbst benennt
seine Stärken so: „Beidfüßig, mit besserem
linken Fuß. Ich brauche wenig Chancen,
um Tore zu schießen.“ Luchetta sieht in
seinem langjährigen Weggefährten nicht
nur „einen Fixpunkt in unserem Team“, sondern
auch „Topsportsmann“. Vom Württembergischen
Fußball-Verband wurde jener
einst mit dessen Fair-Play-Preis geehrt. Als
sein Gegenspieler verletzt zu Boden ging,
hatte Hahn den Ball ins Aus gespielt, statt
seinen nächsten Treffer zu erzielen.
Insgesamt steht der Zähler für ihn in der
Bezirksliga bei 283, seit der MTV Stuttgart
2011 in diese Spielklasse aufgestiegen ist.
Die Chancen, die magischen 300 zu knacken,
stehen gut. Denn ans Aufhören denkt Hahn,
der als Entwicklungsingenieur in der Automobilbranche
arbeitet, noch nicht. „Fußball
ist für mich ein extrem wichtiger Teil“, sagt
der „leidenschaftliche“ Borussia-Dortmund-
Fan. Dieser Sport komme für ihn
gleich nach der Familie, mithin Frau und den
beiden Kindern (drei Jahre und drei Monate).
Darüber hinaus hat Hahn aus einer früheren
Beziehung eine 15-jährige Tochter.
Sie alle wissen: Der „Rapha“ braucht seinen
Fußball. Da blüht er auf. Und wenn es
sich denn ergeben sollte, dann auch gerne
mit weiteren Kanonen. Im Regal seines
Arbeitszimmers,sagt Hahn und lacht erneut,
da sei durchaus noch Platz.
Quelle: Stuttgarter Nachrichten Autor: Franz Stettmer