Matthias Weitmann, seit langem Mitglied der Triathlon-Abteilung und bisher fleißiger Starter bei Liga-Wettkämpfen und Mitteldistanzen, hat vor ca. zwei Jahren das Trailrunning für sich entdeckt. Nun hat er "die Schallmauer" beim sogenannten Hexenritt durchbrochen: 100 km Ultra-Trail-Running.
(Von Matthias Weitmann)
"Es war eine gehörige Portion Training nötig, um diesen Lauf anzugehen. Die Vorbereitung bestand u.a. aus drei anderen Ultraläufen über je fünfzig bis siebzig Kilometer zwischen Oktober 2017 und Februar 2018. Der Hexenstieg und Hexenritt sind keine geführten Läufe. Man muss per GPS-Track die Strecke ablaugen, was später im Ziel als Nachweis gilt.
Der Startschuss fiel um sechs Uhr morgens in Osterode. Auf den ersten zehn Kilometern waren wir noch eine Schwatzbasen-Gruppe, dann lichtete sich so langsam das Läuferfeld. Einige Teilnehmer fielen zurück, andere wiederum liefen uns davon. Ich schloss mich einer Gruppe an, die mein Tempo zwischen 5:50/km und 6:10/km hatte. An der letzten Versorgungsstelle vor dem Anstieg zum Brocken verkalkulierte ich mich mit meinem Wasservorrat und füllte diesen dort nicht auf. Als ich zwei km von 3,5 km des Aufstiegs bezwungen hatte, nuckelte ich nur noch Luft aus meinen Flaschen. Die Hitze war mit knapp 30°C unerträglich.
Oben angekommen war ich total blau und sehnte mich nach der nächsten Versorgungsstelle, die aber zu diesem Zeitpunkt noch drei Kilometer entfernt war. Dort saß ich erst einmal und füllte meine Speicher auf - mit allem was da war. Ab hier war ich alleine unterwegs und hatte niemanden zum Reden. Nun ging es an die Psyche, IMMER WEITER! Die Kilometer schrumpften und schrumpften bis zur Kilometermarke siebzig. Dann hat es mir von jetzt auf nachher die Beine unter dem Körper weggezogen; es ging mir richtig dreckig, obwohl ich genügend zum Essen und Trinken mit dabei hatte. Mental war mir klar, dass hier und jetzt nicht der Körper über den Geist herrschte, sondern das Rennen nur im Kopf besiegt werden kann.
Es war sehr mühsam beim Wechsel zwischen Wandern und Laufen doch wieder Weg hinter sich zu bringen. An einer nicht planmäßigen Versorgungsstelle gönnte ich mir ein alkoholfreies Hefebier auf Ex in Kombination mit einem Nucki Nuss Eis, das sich nach 2 km bemerkbar machte. Nicht umsonst muss man ein Päckchen Taschentücher in seinem Laufrucksack mit sich führen...
Nach zähen sieben Kilometern lief es dann wieder rund bei mir und ich konnte richtig Weg machen, sodass ich bald die letzte Versorgungsstelle bei Kilometer 92 in der Abenddämmerung mit Stirnlampe anvisieren konnte. Dort noch schnell eine Kartoffelsuppe geschlürft und weiter ging es; jetzt zog es mich ins Ziel. Als ich gerade auf einem wunderschönen Singletrail die letzten Kilometer ins Ziel raste, quiekte es vor mir und ein paar Frischlinge passierten meinen Weg. Den Hang weiter oben wollte ich mit meiner Stirnlampe lieber nicht ausleuchten, denn da grunzte es noch tiefer. Ich nahm die Beine in die Hand und lief noch um Einiges schneller. Puh, nochmal Glück gehabt! Wer weiß, ob mir das Vieh hinterher gekommen wäre.
Die letzten drei Kilometer waren technisch noch mal sehr anspruchsvoll, vor allem in der Dunkelheit. Ich bin abends um 22:44 Uhr in Thale eingelaufen. Somit war ich 16 Stunden und 44 Minuten unterwegs und belegte den siebten Platz von 23 Startern über die Distanz 110 km mit 1.900 Höhenmetern. Ursprünglich wollte ich die Gesamtdistanz mit 215 km laufen, also den Hexenstieg anstatt dem Hexenritt. Da aber mein GPS-Gerät nicht oft genug zwischen Satellit und Tracker gepingt hatte und damit meine Position nicht genau genug anzeigte, hielt ich es in Anbetracht der aufkommenden Nacht für besser in Thale aufzuhören, obwohl sich mein Körper topfit anfühlte.
GEIST UND KÖRPER MÜSSEN IM EINKLANG SEIN......."
Am 27.07.2018 stellt Matthias sich seiner bisher größten Ultratrail-Herausforderung und gleichzeitig seinem Saisonhöhepunkt beim Großglockner Ultratrail über 110 km und 6500 Höhenmeter. Wir drücken ihm ganz fest die Daumen, fiebern mit und wünschen viel Erfolg und gute Erholung im Anschluss!